Badische Zeitung vom 27. März 2017

Keine Bühne für platte Witze

Keine Bühne ... GRÖSSER
Sie haben als Laien...

Die Laienspielgruppe Bollschweil lädt zum 30. Geburtstag die Bauernbühne aus Pfronten ein / Vom Reiz des Theaterspielens.

Von Andrea Gallien

BOLLSCHWEIL. Was machen Laienschauspieler, wenn sie Geburtstag feiern? Sie laden Freunde ein und spielen ihnen ein Theaterstück vor. Oder sie laden Schauspieler ein und schauen selber einfach einmal nur zu. Für Letzteres hat sich die Laienspielgruppe Bollschweil entschieden. Sie begeht am 1. April ihren 30. Geburtstag und die Bauernbühne aus Pfronten spielt für sie und alle anderen Besucher in der Möhlinhalle den Schwank "Mord im Hühnerstall" von Regina Rösch.

"Mord im Hühnerstall", das ist so ein Stück, das auch die Bollschweiler Laienspielgruppe spielen könnte. Humorvoll ist es, weder schlüpfrig noch unter der Gürtellinie. Es sorgt dafür, dass die Besucher einen vergnüglichen Abend haben und den Alltag für zwei Stunden vergessen können. So müssen Stücke sein, sagt Karl Dischinger, vor 30 Jahren Gründungsmitglied der Gruppe und viele Jahre deren Spielleiter.
Seine Aufgabe war es, gemeinsam mit zwei weiteren Schauspielern, die Theaterstücke zu sichten und auszusuchen, die gespielt werden sollen. Zwei sind es in Bollschweil in der Regel: Ein kürzeres Stück wird um Erntedank gespielt, ein längerer Dreiakter in der Weihnachtszeit. Aus 15 Textbüchern erstellt jeder der drei Stückesucher ein Ranking und gemeinsam fällt dann die Entscheidung. Dabei ist ausschlaggebend, dass das Stück Niveau hat, sagt Manfred Koch, Vorstandsmitglied und derzeit Mitauswählender. "Am besten ist es, wenn man beim Lesen das Stück schon auf der Bühne vor sich sieht, das ist meist ein untrügliches Zeichen dafür, dass es das richtige ist".
Immer wieder sei in den 30 Jahren in der Laienspielgruppe diskutiert worden, ob statt etwas Heiterem vielleicht mal sozialkritischeres Thema sein sollte. "Wichtig ist, dass die Leute etwas zu lachen haben und gut gelaunt aus der Halle gehen". Diese Ansicht, die auch Vorstandsmitglied Christoph Sumser vertritt, hat sich jedes Mal durchgesetzt. Gelacht werden soll dabei nicht über platte Witze oder auf Kosten von Minderheiten, gelacht werden kann, wenn im Stück die kleinen Verfehlungen zum Thema werden, die nicht nur die Schauspieler auf der Bühne begehen, sondern die – blickt man mal in den Spiegel – doch auch jeder im Saal kennt: heimliche Flirtereien, kleine Betrügereien, Gebrechen, die mühsam überspielt werden.
Damit das auch rüberkommt, ist intensive Probenarbeit notwendig. Mimik und Gestik müssen sitzen, der Text sowieso, der Platz, den jeder auf der Bühne einnimmt, das Spiel miteinander. Das wird immer wieder geübt. Zunächst aber verkündet der Spielleiter beim Sommerfest, was in der nächsten Saison gespielt wird – und von wem, denn auch die Rollen werden von ihm verteilt. Kein Schauspieler kann die Entscheidung vorher beeinflussen. Im Herbst beginnen dann die Proben. 15 bis 20, kurz vor der Aufführung bis zu drei in der Woche können es schon sein, bis alles so sitzt, wie es sich Regisseur oder Regisseurin vorstellen. Jedes Stück hat nicht nur inhaltlich seinen eigenen Reiz, sagt Christoph Sumser. Jede Inszenierung stellt neue Herausforderungen an die Gruppe. 32 Mitglieder sind es derzeit. Jeder spielt pro Saison in einem der beiden Stücke mit, wenn er nicht gerade Aufgaben wie Regie oder Soufflieren übernimmt. Und jedes Mal ist die Gruppe, die gemeinsam an einem Projekt arbeitet, neu zusammengesetzt. Wie sich das Stück entwickelt, wie sich die Schauspieler in die Rolle einfinden, auch wenn sie vor dieser zunächst vielleicht nicht begeistert waren, wie sie über ihren Schatten springen, das, sagt Manfred Koch, ist ein äußerst spannender Prozess und außerordentlich befriedigend, wenn am Ende alle in ihre neue Rolle schlüpfen und aus einzelnen Szenen ein Stück aus einem Guss wird.
Bis es so weit ist, muss der Text gelernt sein. Da hat jeder seine Methode. Die einen schreiben ihn zehn Mal ab und prägen ihn sich so ein, die anderen sprechen ihn auf Band und hören das immer wieder ab, wieder andere lernen still auswendig, den Text von der Hand verdeckt wie beim Vokabellernen. Improvisieren auf der Bühne ist nicht gern gesehen bei der Laienspielgruppe, es sei denn, sagt Karl Dischinger, ein Mitspieler verheddert sich im Text und weiß nicht weiter, "dann sind Improvisierer natürlich die Helden". Sonst wird Wert darauf gelegt, dass das Stück seinen Charakter behält, so, wie es der Autor wollte. "Dabei darf man den Text nicht einfach runterbeten, man kann nicht sein Alltagsleben auf der Bühne fortsetzen. Man muss die Rolle schon annehmen, der Autor hat sich dabei je was gedacht", sagt Sumser.
Wird das Stück dann aufgeführt, in Bollschweil oder "auswärts", sind die Reaktionen im Publikum schon mal sehr unterschiedlich: "In Bollschweil kennen einen die Leute, bei manchem lachen die schon, wenn er auf die Bühne kommt", sagt Manfred Koch. Auswärts sind die Schauspieler unbekannt, "da dauert es manchmal einen ganzen Akt, bis man die Halle auf seiner Seite hat. Im zweiten fühlt man sich dann schon daheim und wird entsprechend sicherer. Das ist ein tolles Gefühl".
Und Pannen, hat es die auch schon gegeben? Karl Dischinger lacht und muss nicht lange überlegen, bis er die Geschichte erzählt: Ein "Ehebrecher" versteckte sich beim Erscheinen des Gatten der Angebeteten nicht wie im Schwank üblich im Schrank, sondern unter dem Sofa. Damit er darunter passt, war dieses durch Klötze unter jedem Fuß erhöht, es stand also auf wackligen Beinen. Prompt kippte ein Klotz um, so dass der Ehebrecher einen ganzen Akt lang mit seiner Schulter den Klotz ersetzte und auch nicht schlappmachte, als die Ehefrau sich auch noch auf das Sofa setzte. Karl Dischinger ist noch heute begeistert: "Das Publikum hat nix gemerkt, das war echt eine Leistung".

Info: "Mord im Hühnerstall" spielt die Bauernbühne Pfronten am Samstag, 1. April, 20 Uhr (Einlass 19 Uhr) in der Möhlinhalle, Eintritt: 5/8 Euro, Reservierung unter vorverkauf-lsg.de. "Das Spiel um Jupiter" spielt die Laienspielgruppe Bollschweil am Freitag, 19. Mai, Open Air auf dem Kohlerhof.

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Szenen aus den Stücken der Laienspiel...
 

Die Laienspielgruppe

Ende 1986 spielte die Laienspielgruppe ihr erstes Stück, 1987 wurde sie dann gegründet. Sie ist kein Verein mit Statuten, sondern eine Gruppe von derzeit 32 begeisterten Laienschauspielern. In den 80er Jahren wurde vor allem in Musik- oder Sportvereinen Theater gespielt, die Bollschweiler Gruppe war eine der ersten vereinsübergreifend organisierten. Wer Lust hat mitzuspielen (gerne auch jüngere Interessenten) ist willkommen.
Kontakt: Manfred Koch, 07633/807558

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